Ich frage mich heute wie ich Lust for Life von Iggy Pop nach ein paar Mal hören als beschissenes Album einstufen konnte.
Um mich für diesen Kurztext vorab zu rechtfertigen:
Es geht hier nicht darum, irgendwelche pseudomusikalischen Parabeln über zeitgenössische Musik raus zu kotzen, denn das kann ich nicht. Außerdem möchte ich auch niemanden nahe treten und seine musikalische Meinung gut/schlecht reden. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und gehören respektiert. Alles hier Aufgeführte ist mein subjektiver Eindruck und kann empfunden werden, wie man das eben will. In keinem Fall will ich jemanden beleidigen, schon gar nicht den Künstler selbst…der diesen Artikel bestimmt lesen wird. 🙂
Es geht auch nicht darum sich mit einem (viel zu oft selbstgelobten) Musik-Sachverstand zu profilieren, denn den habe ich definitiv nicht!
Und es geht sicher auch nicht um irgendwelche tiefenpsychologischen oder soziopolitischen Abhandlungen eines Lebensstils der sich Punkrock nennt, auch wenn ich das gerne erwähnen würde.
Dennoch muss man – meiner Meinung nach – doch einige Dinge über Iggy Pop wissen, um seine Songs, seine Schaffenszeit, bzw. seine Kunst i.w.S. zu verstehen. Das möchte ich aber Euch selbst überlassen, da ich jetzt keine Lust habe, alles zu recherchieren und hier korrekt zusammenzufassen.
Schaut einfach selbst nach bei einschlägigen Wissensportalen…
Das Album Lust for Life war für mich zunächst eine krasse Enttäuschung. Klar, die beiden Songs Lust for Life und The Passenger kannte man bereits. Obwohl mich Letzterer heute bereits nach den ersten vier Akkorden nervt. Aber die übrigen Songs haben mich überhaupt nicht berührt: zu gekünstelt, zu fahrig, irgendwie grotesk und überhaupt nicht, wie man sich eine revolutionäre Vorstufe von Punk vorstellen würde. So eine Scheiße. Das habe ich so nicht erwartet. Enttäuschung. Alle reden von Iggy Pop als abgefahrenen Typen, bzw. Vorreiter des Punk und so. Bullshit. Vielleicht ist es nur meine dämliche Erwartungshaltung, welche ich aufgebaut habe. Sorry, Iggy, ich war zu der Zeit nicht auf der Welt. Ich habe keine Ahnung wovon Du da singst…
Also wanderte das Album ins Regal auf unabsehbare Zeit. Gedanken machten die Runde wie bspw. lass doch die Platte als Untersetzer verwenden, oder Iggy’s Fresse auf dem Cover als Dartscheibe im Proberaum aufhängen.
Als Jan jedoch neulich mit der Idee ankam, über ein Album zu referieren, welches mich in 2018 beschäftigt hat, dachte ich mir, es nochmal damit zu versuchen. Es kann doch nicht sein, dass die halbe Menschheit Iggy Pop als Gottheit verehrt und ich mit dem Scheiß überhaupt nichts anfangen kann. Da muss doch was dran sein, verdammt. Zugegeben: Der Mensch „Jim“ Osterberg und sein Werdegang ist in jedem Fall abenteuerlich und beachtlich. Der Typ hat verdammt viel erlebt und mit unglaublich vielen Musikern zusammengearbeitet. Alleine das macht ihn sicherlich zu einer besonderen Persönlichkeit. Aber rein musikalisch war das bei mir noch nicht richtig angekommen.
Beim späteren Anhören wurde mir dann endlich klar, dass David Bowie hier unüberhörbar seine Finger im Songwriting des „Godfather of Punk“ im Spiel hatte. Ich habe nachgelesen, dass der Kontrollfreak Bowie seinem Schützling Pop beim Vorgängeralbum The Idiot noch viel deutlicher in die musikalische Suppe gespuckt hatte. Nach der Trennung der Stooges und kiloweise Drogen war Pop allerdings auch alles andere als ein selbstbewusster Songwriter. Das hatte sich bei Lust for Life dann entspannt und Iggy hat wieder etwas mehr die musikalische Kontrolle übernommen.
Jetzt gibt alles Sinn und die Musik hört sich auf einmal auch nicht mehr zerfahren an. Im Gegenteil: Nummern wie some weird sin und sixteen gehören inzwischen zu meinen Lieblingsnummern auf der Scheibe. Letztere hört sich für mich ähnlich wie Rebel Rebel von Bowie an.
Musikalisch ist das Spektrum des Albums doch recht breit. Die ersten drei Nummern gehören zur rockigen Fraktion und gefallen mir mit Abstand auch am besten. Hier kann ich mir den blonden dürren Kerl am besten vorstellen, wie er sich auf der Bühne verrenkt und schwitzt. The Passenger ist der obligatorische Schenkelklopfer der Platte. Kennt jeder, nervt inzwischen jeden.
Bei Tonight und Success wird’s eher bluesig, sogar ein paar Gospeleinflüsse hielt Hr. Bowie für angemessen.
Neighborhood Threat und Fall in Love with me sind eigentlich stark vorgetragene Popnummern mit tanzbarer Rhythmusfraktion. Erinnert mich ein wenig an die Talking Heads. Kann man so stehen lassen.
Mit Turn blue kann ich nach wie vor nichts anfangen. Irgendwie komisch. Die Nummer ist angeblich eine der ältesten des Duos Bowie/Pop und war wohl gleichzeitig einer der ersten Versuche der beiden Künstler gemeinsam auf einen musikalischen Nenner zu kommen. Meiner Meinung nach hört man das auch.
Textlich ist Pop sehr direkt und ehrlich. Alles klingt authentisch. Man hört, dass der junge Kollege bereits einiges erlebt hat. Meiner Meinung nach gut zu hören bei Tonight.
Müsste ich eine Fünf-Sterne-Bewertung vergeben, wie es bekannte Musikzeitschriften tun, würde ich diesem Album dreieinhalb Sterne zusprechen. Man hört ganz deutlich die Einflüsse des großen glamourösen David Bowie, nicht nur, weil er Piano und Backingvocals zum Album beigesteuert hat. Eigentlich müsste der Künstler „Iggy Bowie“ oder „David Pop“ oder so ähnlich heißen. Das würde dem ganzen dann gerecht werden. Von Iggy Pop höre ich für ein Iggy Pop-Album noch zu wenig.