oder: Wie man als komplette Band verreist und dabei auf weniger Probleme stößt als erwartet.
Als wir am Anfang des Jahres die Anfrage für Mexiko bekamen war klar: Das muss gut vorbereitet werden. Reisepässe wurden nach erfolgreicher Suche auf Gültigkeit geprüft, die Songs fleißig geprobt … und eine Packliste geschrieben.
Vorbereitungen
Dabei tauchten dann die ersten technischen Fragen und Probleme auf. Wie verreisen wir mit unseren Instrumenten möglichst stressfrei? Es war vorneweg klar, dass unser Schlagzeug im Proberaum bleiben würde. Die individuelle Freigepäckgrenze liegt bei 23 Kilogramm. Zu wenig für unsere Trommeln und Becken, die nebenbei auch viel zu groß gewesen wären. Sperrgepäck auf Langstrecke lässt sich die Lufthansa laut Homepage teuer bezahlen…
Aber kein Problem, auch in Mexiko gibt es Musiker, die uns netterweise bei allen drei Gigs ihr Set zur Verfügung stellen würden. Andys Fußmaschine und die Cowbell waren ursprünglich noch im im Gepäck, flogen letztlich aber aus Gewichtsgründen, zugunsten von einem weiteren Karton CDs, wieder raus.
Für die restlichen Instrumente hatten wir uns vorgenommen, nur so viel wie nötig einzupacken. Nach dem immerhin dritten unterhaltsamen Gespräch mit dem Telefonsupport der Lufthansa war klar: Die Gitarren und den Bass können wir nicht als Handgepäck mitnehmen.
Also gut, geben wir die Instrumente eben als Freigepäck auf und die Klamotten für eine Woche kommen ins Handgepäck. Puh, acht Kilogramm sind wirklich schnell erreicht! Zum Glück kann man zusätzlich zum Trolley ein weiteres „persönliches“ Gepäckstück, sprich Handtasche, mitnehmen, das nicht extra gewogen wird.
Für Bass und Gitarren wurden stabile Koffer und jeweils ein Koffergurt besorgt, in denen diese den elfstündigen Flug im Gepäckraum und den Transport über die Gepäckbänder unbeschadet überstehen sollten.
Gitarrennerds
Nächste Frage: Wie verstärken wir mit minimalem Equipment unsere Instrumente so, dass es nach den Heydays klingt, wir dabei Spaß haben und das Publikum einen guten Sound hört?
Beim Bass lag die Lösung auf der Hand: Jan besitzt von Tech21 den SansAmp Bassdriver DI, der auch direkt ins Pult gespielt gut klingt. Hoffen wir trotzdem, dass vor Ort noch ein Bassverstärker rumsteht.
Schwierigkeitsstufe zwei: Auf einen „richtigen“ Verstärker wollten wir Gitarristen natürlich nicht verzichten. In Mexiko kommen aber 110 Volt aus der Steckdose. Das ist für unsere Geräte zu wenig, die nebenbei natürlich auch viel zu groß und schwer gewesen wären.
Wir haben uns umgehört und sind auf den Amp1 von BluGuitar gestoßen, der sprichwörtlich in die besagte Handtasche passt. Er wiegt ein gutes Kilo, die Netzspannung ist egal und er klingt und reagiert dazu noch so wie wir das brauchen. Der Verstärker, dessen Endstufe sogar eine Röhre enthält, kann cleane und verzerrte Sounds gleichermaßen gut und hat sogar einen ganz ordentlichen DI-Out mit Speakersimulation. Auf einen Lautsprecher können wir also notfalls auch verzichten. Zum Glück, wie sich später herausstellen sollte… An Effekten blieb alles außer den Stimmgeräten und mein kleines Delaypedal zuhause. Da unsere Steckernetzteile für die Effektgeräte Spannungen von 100 – 240 Volt abkönnen, war das kein Problem. Nur ein Adapter war jeweils nötig.
Waffen?
Am Abreisetag wurden wir am Sperrgepäck-Schalter in Frankfurt freundlich mit der Frage: „Waffe?“, begrüßt. Jans großer Bass-Koffer war schuld. Überraschend problemlos, ohne die erwarteten Zusatzgebühren für diesen, konnten wir dann aber die drei Instrumente aufgeben – und hofften, dass die Koffer ihr Geld wert waren. Kurzum: In Mexiko-Stadt nahmen wir alles unbeschadet wieder in Empfang.
No te preocupes – die Gigs
Beim ersten Gig im Public House in San Juan del Río lernten wir, noch etwas nervös, einen wichtigen Satz: „No te preocupes!“ Mach dir keine Sorgen. Und richtig: Nach und nach wurde über mehrere Stunden von verschiedenen Leuten Equipment angeschleppt, sodass am Schluss eine fast komplette Backline auf der Bühne stand: Für Dennis gab es zwar keinen Gitarrenverstärker, aber dank DI-Signal vom Amp1 konnte er direkt im Mischpult einstecken. Ich bekam einen kleinen Marshall Transistor-Amp, den ich als Monitor nutzte und meine Gitarre ging ebenfalls über DI ins Pult und auf die Anlage. Jan hatte eine Ampeg Bass-Combo, die richtig gut klang. Und wie versprochen gab es ein komplettes Schlagzeug für Andy. Aufbau erledigt. Vor Nervosität sind wir beim Gig zweitweise zwar fast von der Bühne gekippt, aber dank dem netten Publikum hatten wir von Song zu Song mehr Spaß bei unserem Tourauftakt.
In Mexiko-Stadt wurden wir am Tag darauf im Bier Haus von Alejandro in Empfang genommen. Auf einer relativ großen Bühne gab es für Dennis eine riesige Fender 4×12″ Box und für mich eine etwas kleinere von Marshall. Beide Boxen wurden jeweils mit dem Amp1 betrieben. Jan hatte, fast wie zuhause, eine Fender Rumble Combo. Einziges zu lösendes Problem hier: Nachdem Dennis‘ Doppelfußschalter beim Aufbau den Geist aufgegeben hatte, kam Alejandro innerhalb kürzester Zeit mit einem Ersatz aus einem benachbarten Proberaum. Danke dafür! Auch hier war das Publikum wieder schnell in Stimmung – und wir dieses Mal nicht mehr ganz so nervös.
Das Centro Alemán in Querétaro überraschte uns am Freitag auf der Bühne mit einer riesigen Videoleinwand mit Fotos von uns. Unsere Ausrüstung für das Tourfinale bestand aus einer Bass-Combo von Orange für Jan. Dennis bekam eine Marshall Transistor-Combo, die er als Monitor nutzte. Seine Gitarre ging wieder über DI-Out des Amp1 direkt ins Pult. Die größten Kisten gab es heute für mich: Ein Marshall DSL Topteil plus eine Marshall 1960A. Das Top blieb zur Deko zwar auf der Box stehen, gespielt habe ich aber wieder mit dem Amp1.
Auch hier wurde das ganze Equipment dank des großartigen Publikums schnell zur Nebensache. Wir hatten wohl selten so viel Spaß bei einem Konzert. So fällt der Abschied wirklich nicht leicht.
Was bleibt hängen?
Fazit nach einer Woche Tour in Mexiko: Wir hatten bei den drei Konzerten mit der aufs Minimum reduzierten Ausrüstung viel Spaß, einen guten Sound und alle Instrumente haben den Trip über Kontinente überstanden. Nur der Lack meiner Gitarre hat seitdem ein paar feine Risse. Vielleicht liegt das an den Temperaturschwankungen im Gepäckraum der Flugzeuge? Das stört aber nicht weiter. Es soll ja Musiker geben, die für ein solches „Aging“ extra zahlen. Nicht nur dadurch werde ich immer wieder gern an Mexiko zurückdenken.
Wieder zuhause kann ich sagen, dass die Reise auch aus technischer Sicht für uns interessant war. Man braucht unter dem Strich nicht viel Ausrüstung, dass es gleichermaßen für’s Publikum und für die Band gut klingt und dass jeder sich wohlfühlt. Der ganze Materialzirkus, der hierzulande häufig betrieben wird, wirkt nun irgendwie etwas überdimensioniert.
Und trotzdem; Ich freue mich jetzt wieder auf die ganzen Spielsachen im Proberaum! Mein Amp1 ist inzwischen wieder bei Ebay gelandet. Sollten wir wieder mal in Mexiko spielen, würde ich ihn aber auf jeden Fall wieder kaufen. Dennis wird seinen behalten…
Markus